Renke Brahms: Sola Pax – Allein der Friede

Solus Christus – allein Christus, sola scriptura – allein die Schrift, sola gratia – allein aus Gnade, sola fide – allein der Glaube. In diesen Grundsätzen wird die Botschaft der Reformation zusammengefasst. Sie sind letztlich eine Entfaltung des Glaubens an den einen Gott. Und sie münden ein in dem Lobpreis soli deo gloria – allein Gott in der Höh sei Ehr!

Alles beginnt mit Christus. „Christus ist unser Friede“, heißt es im Epheserbrief. Das solus christus ist Maßstab für unseren Glauben und unser Handeln in der Nachfolge des großen Friedensstifters  Jesus Christus. Wer wissen will, wie Frieden ist und gestiftet werden kann, muss den Blick auf Christus lenken – auch das ist eine Funktion des solus christus.

Der Epheserbrief malt das Bild einer Friedenskirche. Und wenn der Frieden ein Kennzeichen der Kirche ist, muss das Bestreben der Kirche heute sein, eine Kirche des gerechten Friedens zu werden. Dabei macht der Epheserbrief den Raum weit: Es geht um den Frieden des Einzelnen mit Gott, um Frieden in Gemeinde und Kirche, aber auch um einen gesellschaftlichen und sogar kosmischen Frieden. Eine Kirche des gerechten Friedens lebt aus Gottes Frieden und sorgt für gerechten Frieden. Sie lädt zum Frieden mit Gott ein, lebt den Frieden in der Gemeinde und engagiert sich für den Frieden in dieser Welt. Das heißt aber, dass auf allen Ebenen kirchlicher Arbeit das Friedensthema in umfassender Weise verhandelt wird: in der theologischen Ausbildung, in der Verkündigung und der Bildungsarbeit, in der Art und Weise, wie in der Kirche Konflikte angegangen und gelöst werden, in Verlautbarungen, in denen die Kirche Stellung nimmt und im tätigen Friedensengagement.

Und die Schrift! Wenn wir allein die Schrift als Regel und Richtschnur anerkennen, dann hat das Auswirkungen auf die Frage einer biblisch begründeten Friedenstheologie und Friedensethik. Im Blick auf  die gesamte Bibel mit ihren sehr verschiedenen Schriften lässt sich deutlich eine Tendenz zur Gewaltüberwindung erkennen, so dass es nicht übertrieben erscheint, wenn gesagt werden kann: Das  „sola scriptura“ heißt heute: Die Friedenstheologie muss verstärkt werden. Denn: Wenn „Frieden“ ein zentrales Thema der Bibel und der Kirche ist, dann ist der Frieden auch ein zentrales Thema der  Theologie. Darum: Mehr Friedenstheologie wagen!

Doch welche Konsequenz hat dies für die evangelische Kirche im Jahr des Reformationsjubiläums? Müsste die evangelische Kirche nicht angesichts diese reformatorischen Erbes, aber auch  angesichts der Überwindung von jeglichen Vorstellungen eines gottgewollten Krieges mit dem ökumenischen Weg seit 1948 und angesichts der Bedeutung des Friedens in der Bibel und dem  Bekenntnis zu Christus, unserem Frieden, nicht zu den Soli der Reformation im Sinne einer reformatorischen Kirche heute ein sola pax hinzufügen? Allein der Frieden? Die soli der Reformation münden  in das soli deo gloria – allein Gottes Herrlichkeit. In der Weihnachtsgeschichte gehört zu dem gloria in excelsis das pacem in terris dazu und ist nicht davon zu trennen. Gott allein in der Höhe zu singen und nicht gleichzeitig für gerechten Frieden einzutreten, ist weder biblisch noch reformatorisch.

Es wird sicher weiterhin nicht vollständige Einigkeit darüber geben, wie wir den Weg zum Frieden finden. Aber dass der Frieden zu den Kennzeichen der Kirche gehört, ist eine konsequente Linie, die sich aus der Reformation und einer ecclesia semper reformanda ergibt. Insofern sind alle Prozesse auf dem Weg zu einer Kirche des Gerechten Friedens ausgesprochen „reformatorisch“ und sollten nicht nur im Jahr des Reformationsjubiläums weiter beschritten werden.

Renke Brahms
Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland