Pressemitteilung: Studientag von AGDF und EAK in Berlin beschäftigt sich mit „Militärische Gewalt und Gewaltfreiheit“
„Spannungen zulassen und Brüche nicht ignorieren“
Spätestens seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine und dem Terroranschlag der Hamas auf Israel werden friedensethische Fragen sehr kontrovers diskutiert. Wie mit Gewalt umgehen? Wie haben sich friedensethische Positionen verändert, sind ins Wanken geraten? Fragen, denen bei einem gemeinsamen Studientag „Militärische Gewalt und Gewaltfreiheit“ von Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und Evangelischer Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) in Berlin nachgegangen wurde.
„Wir müssen diese Spannungen zulassen und wir dürfen diese Brüche nicht ignorieren“, machte Dr. Christian Stäblein, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, in einem Grußwort deutlich. Die Friedensethik stünde wieder im Fokus der Debatte, auch wenn die Gründe dafür furchtbar seien, unterstrich er mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten.
Er bekannte, dass die Kirche hier zerrissen sei. „Mit dem Krieg in der Ukraine ist etwas kaputt gegangen, was wir uns gewünscht haben, gewaltfreie Konfliktlösungen und eine Friedensordnung“, erläuterte Bischof Stäblein. Dies habe zu neuem Nachdenken über friedensethische Fragen geführt. „Es wird immer wieder die Forderung erhoben, die EKD-Friedensdenkschrift von 2007 fortzuschreiben. In der Sache ist das nicht nötig, aber natürlich sind neue friedensethische Herausforderungen hinzugekommen“, gab er zu bedenken und nannte den Einsatz künstlicher Intelligenz oder Drohnen-Kriege und den militärischen Einsatz neuer Technologien als Beispiele.
Gleichzeitig verwies Christian Stäblein darauf, dass es seit 2022 wieder verstärkt ein Auseinanderdriften zwischen pazifistischen Positionen auf der einen Seite und der Zustimmung zu einem Waffeneinsatz als Ultima Ratio auf der anderen Seite kommt. „Viele Gewissen sind an dieser Stelle zerrissen“, räumte der Bischof ein.
Für Christinnen und Christen sei es wichtig, diese Zerrissenheit im Gebet vor Gott zu bringen und um Heilung zu bitten, unterstrich Christian Stäblein. „Wir dürfen nie die Gewaltfreiheit aus den Augen verlieren, aber wir müssen auch an der Seite der Angegriffenen stehen“, beschrieb er das Dilemma und sah in Christinnen und Christen „Waffenniederlegungsdiplomaten“. Die Kirche gehöre zu den wenigen Stimmen in der Gesellschaft, die sich für gewaltfreie Lösungen noch stark machen würden. „Und das ist wichtig“, so Bischof Stäblein.
Bei der Studientagung ging es nicht um Beschlüsse, um Resolutionen oder um fertige Konzepte. Es ging um Gespräche, um den Austausch, um die Wahrnehmung von Brüchen und Widersprüchen, von Veränderungen und Handlungsmöglichkeiten. In Kleingruppen wurde viel gesprochen, diskutiert und sich ausgetauscht.
Immer wieder wurde deutlich, dass 2022 und 2023, also der russische Überfall auf die Ukraine und der Terrorangriff der Hamas auf Israel, als deutliche Wendepunkte in der friedensethischen Debatte wahrgenommen wurden, dass sich die Diskurse verschoben, Waffenlieferungen oder Atomwaffen von vielen neu bewertet werden. Vertreterinnen und Vertreter aus den evangelischen Landeskirchen berichteten davon, dass es Überlegungen für neue friedensethische Stellungnahmen gibt. Ebenso erzählten Vertreterinnen und Vertreter von Friedensorganisationen von neuen Debatten in ihren Organisationen.
Deutlich wurde beim Studientag aber auch der Wunsch, ohne Aufgabe der eigenen Position in einer moderierenden Form die verschiedenen Sichtweisen ins Gespräch zu bringen und hier auch mit anderen Gruppen oder Organisationen zusammenzuarbeiten.
„Es ist sicher eine große Stärke der Friedensarbeit, sich mit den eigenen Positionen auf Veränderungen einzustellen und bereit zum Gespräch zu sein“, meinte der frühere badische Landesbischof Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh in Berlin. Und dazu gehöre, dass die Kraft der eigenen Orientierung auch viele Differenzen aushalten könne.
Christine Busch, die AGDF-Vorsitzende, machte in Berlin deutlich: „Auch angesichts der Zerrissenheit und der Herausforderungen: Wir sind weiterhin und gemeinsam auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens.“ Und Jens Lattke vom Leitungsteam der EAK unterstrich: „Es ist wichtig, das gute Verhältnis von Friedensorganisationen und landeskirchlicher Friedensarbeit zu erkennen und wahrzunehmen, aber auch gemeinsame Perspektiven zu entwickeln angesichts der friedensethischen Herausforderungen, vor denen wir stehen.“
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