PM: Dialog suchen auch angesichts von Hass, Gewalt und Populismus: Berliner Akademie-Tagung „Miteinander aktiv! Friedensdienste in Zeiten von Populismus und Fremdenfeindlichkeit“

Gesprächsrunde auf der Tagung. Foto: Dieter Junker

Hass, Gewalt, Krieg und Flucht bestimmen den politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Populistische und fremdenfeindliche Stimmen gefährden zunehmend den inneren Frieden. Für die Friedensdienste ist dies eine Herausforderung, erleben sie diese Entwicklung doch in ihrer täglichen Arbeit. Wie können sie darauf reagieren, wie auf diese Veränderungen antworten? Mit Dialog? Mit Abgrenzung? Mit Widerspruch? Dies stand im Mittelpunkt der Tagung „Miteinander aktiv! Friedensdienste in Zeiten von Populismus und Fremdenfeindlichkeit“ der Evangelischen Akademie zu Berlin.

Viele Friedensdienste plädieren hier für einen Dialog, der die eigene Position deutlich macht. „Wir müssen als Friedensdienste auch dahin gehen, wo es weh tut“, fordert beispielsweise Christof Starke vom Friedenskreis Halle. Ähnlich auch Anja Petz von der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion Kurve Wustrow, die betont: „Wir müssen hier den Dialog führen. Es gibt keinen anderen Weg als reden, auch wenn wir den anderen wohl nicht umstimmen können. Aber es ist wichtig, dass widersprochen wird bei rechtspopulistischen Parolen.“ Friedenskreis Halle und Kurve Wustrow, sie sind beide Mitglied der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF). Und beide Organisationen haben sich in ihrer täglichen Arbeit auf diese Veränderungen eingestellt und engagieren sich mit vielen Projekten gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Hass und für die Würde aller Menschen.

„Unser Land verändert sich, diesen Änderungen müssen wir uns stellen“, meint Ulrich Lilie, der Präsident der Diakonie Deutschland. Er sprach sich in Berlin dafür aus, dass Kirche und Diakonie vor diesem Hintergrund neu lernen müssten, Kooperationen und Netzwerke zu bilden, um dieser Entwicklung zu begegnen. Wie die beiden Friedensgruppen plädiert auch er dafür, Gespräche zu suchen, gleichzeitig dabei aber auch deutlich zu machen, dass Kirche und Diakonie in dieser Debatte an der Seite der Ausgegrenzten stehen, an der Seite derer, die an den Rand gedrängt werden, fordert der Diakonie-Präsident. Doch er warnt auch: „Dabei sollten wir nicht übermoralisieren, aber wir sollten zuhören“, so Lilie.

„Es würde den Kirchen gut anstehen, moralischer zu werden und mit ihren Werten zu argumentieren“, entgegnet dazu Professor Dr. Naika Foroutan vom Berliner
Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Berliner Humboldt- Universität. Und fordert die Kirchen auf, in dieser Debatte ihre Glaubensgrundlagen

offensiver zu vertreten. Es sei sicher wichtig, auf falsche Behauptungen mit Fakten und Zahlen zu reagieren. „Aber es muss auch eine Geschichte dazu erzählt werden, so beispielsweise, dass Jesus ein Flüchtlingskind war“, gibt sie zu bedenken. Dies sei für Kirche wichtig, ist Naika Foroutan überzeugt. Dass in diesen Diskussionen Stereotype nicht hilfreich sind, verdeutlicht die Berliner Migrationsforscherin bei dieser Tagung anhand einer aktuellen Umfrage ihres Institutes, die zu überraschenden Ergebnissen geführt habe. Danach sind beispielsweise Ostdeutsche und Muslime mit ähnlichen Abwertungen durch Westdeutsche konfrontiert. Ostdeutsche nehmen dabei durchaus auch die Abwertung von Muslimen wahr. Und zwischen Ost- und Westdeutschen gibt es keine nennenswerten Unterschiede in der Sorge vor einem sozialen Aufstieg von Muslimen. Weitere überraschende Erkenntnis: Sowohl West- wie Ostdeutsche sehen durchaus die Notwendigkeit einer politischen Steuerung beispielsweise durch Quoten, um Nachteile von Frauen, Ostdeutschen oder Muslimen auszugleichen. „Die Umfrage hat deutlich gezeigt: Anders, als oft angenommen, sind Fremdenfeindlichkeit oder Rechtspopulismus nicht ein Problem in Ostdeutschland, sondern in ganz Deutschland. Und viele sind auch bereit, etwas gegen Benachteiligung zu tun“, so Naika Foroutan. Auch dies müsste in der Diskussion wahrgenommen werden, fordert sie, wenn denn Gespräche erfolgreich sein sollen.

Dass aber Gespräche wichtig sind, davon waren alle in Berlin überzeugt. Und Räume für solche Dialoge zu schaffen, das wäre eine Möglichkeit, um Hass und Gewalt zu begegnen, glaubt Professor Dr. Uli Jäger von der Berghof-Foundation in Tübingen. „Wir müssen Räume bieten für junge Menschen, wo sie sich frei fühlen zum Denken, Fühlen und Handeln, wo Lernprozesse offen gestaltet werden, aber dennoch werteorientiert sind. Doch das ist keine leichte Aufgabe für die Friedensbildung“, so Uli Jäger. Und angesichts der Bedeutung des Internets für die gesellschaftlichen Veränderungen sei auch eine digitale Friedensbildung sehr wichtig, fügt er hinzu. „Das Ziel muss die Entwicklung einer Kultur des Friedens sein. Und dafür ist die Arbeit der AGDF und der Friedensdienste sehr wichtig“, macht er in Berlin deutlich.
Auch für Renke Brahms, den Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), gewinnen die Friedensdienste angesichts eines wachsenden Rechtspopulismus und der vielen Konflikte in der Welt eine zunehmende Bedeutung. Die Komplexität der Themen und Entwicklungen erzeuge Ohnmacht und Ratlosigkeit, es gebe keine einfachen Lösungen. „Wir müssen die Geschichten des Gelingens erzählen“, betont Renke Brahms.
Dabei gebe es viele Mut machende Beispiele wie der Mauerfall und die friedliche Revolution vor 30 Jahren, die europäische Versöhnungsgeschichte und die vielfältige Arbeit der AGDF und ihrer Organisationen. „Gerade angesichts der Geschichtsvergessenheit von Rechtspopulisten ist es wichtig, sich dies immer wieder in Erinnerung zu rufen“, so der EKD-Friedensbeauftragte. Und er verweist auf die bewährten Instrumente einer zivilen Konfliktbearbeitung, die stärker ins Bewusstsein zu rufen seien. „Es gibt gewaltfreie Alternativen und die Friedensdienste haben ein reichhaltiges Instrumentarium zur Lösung von Konflikten entwickelt, das es auszubauen gilt“, so Renke Brahms in Berlin.
Und dabei sei es wichtig, auch zu betonen, welche Werte einen bewegen würden, ist der EKD-Friedensbeauftragte überzeugt. Ob christliche, humanistische oder andere Werte. „Es ist wichtig, immer wieder auch deutlich zu machen, wo wir herkommen. Und als Christ betone ich: Der Frieden der Bibel, das ist kein Traum, sondern dieser ist realistisch.“
„Frieden braucht vieles, Räume, Gesichter, Bewegung, Geschichten. Frieden braucht aber auch Demut und Dankbarkeit. Und Frieden braucht Spiritualität“, so Martina Basso vom Mennonitischen Friedenszentrum Berlin. Sie verweist auf die Jahreslosung „Suchet den Frieden und jaget ihm nach“ und warnt: „Wer dem Frieden hinterher rauscht, der übersieht die kleinen Pflanzen, der überhört die leisen Töne und kriegt die kleine Brise nicht mit.“ Darum sei sie froh, dass es so etwas wie die AGDF gebe, „wo man in Ruhe innehalten kann auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“, so Martina Basso.
„Es ist an der Zeit, dass wir uns mit diesen Fragen beschäftigen“, macht Uwe Trittmann, Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin, deutlich. Und er sei froh, dass dies an einem historischen Ort geschehe. Im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin, wo nach der Wende für mehrere Monate der Zentrale Runde Tisch tagte. „Hier haben sich schon damals Kirche und die Zivilgesellschaft ihrer Verantwortung gestellt“, betont Trittmann.
„Wir haben uns auf einen spannenden Weg gemacht, den wir heute nicht beenden, sondern den wir weitergehen. Auch auf dem Kirchentag in Dortmund, auf der EKD-Synode
in Dresden oder an anderen Orten“, sagt Christine Busch, die Vorsitzende der AGDF. Und Berlin habe dabei neue Inspirationen und Anregungen gegeben, ist sie überzeugt.
Bonn, 5. Mai 2019/dj