AGDF-PM: Klara Butting: Mit der Bibel den Geist von der Logik der Gewalt befreien
Hannover, 3. Mai 2025/dj
Angesichts der derzeitig zu erlebenden Militarisierung der gesamten Gesellschaft und um in dieser Zeit den Geist von der Logik der Gewalt zu befreien, lohne es sich, die Bibel aufzuschlagen. Denn da zeige es sich, dass etwas Neues geschiehe und sich nicht durch Gewalt, sondern durch Zuwendung ein Ausweg eröffne. Dies betonte die Theologin Professor Dr. Klara Butting vom Zentrum für biblisch-politische Bildung Woltersburger Mühle in ihrer Bibelarbeit im Ökumenischen Friedenszentrum während des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hannover.
„Diese Befreiung von der Logik der Gewalt, die beim Bibellesen geschieht, ist keine spirituelle Weltflucht“, betonte Klara Butting. Krieg und Gewalt blieben dabei nicht außen vor, sie würden vielmehr oft den Hintergrund der biblischen Texte bilden, unterstrich sie. Sie verwies auf die Schöpfungsgeschichte, wo die Erde als wüst und leer beschrieben werde, wie ein von Krieg verwüstetem Land. Doch durch Gott werde hier ein Neuanfang möglich, erläuterte die Theologin. Es wurde Licht, und Gott trennte das Licht von der Finsternis. „Leben entsteht durch Zuwendung. Ein geschützter Raum entsteht“, so Klara Butting.
Die biblische Schöpfungsgeschichte sei Widerstandsliteratur. „Sie ist Widerspruch gegen die Überhöhung von Gewalt. Dieser Widerspruch steht am Anfang als Ouvertüre der gesamten Bibel“, unterstreicht die Theologin und betont: „Unsere Glaubensüberlieferung beginnt mit der Abrüstung Gottes!“ Der ewige Gewaltkreislauf werde von Gott durchbrochen. „Neues, Ungeahntes, gutes Miteinanderleben ohne Blutvergießen wird in einem Beziehungsgeschehen geboren. Revolutionäre Bilder erzählen von dem Frieden, der in Gott ist und von Gott her wirklich werden will. Alle Menschen sind gleich an Würde; alle sind zur Regierungsverantwortung gerufen, Menschen und Tieren leben miteinander ohne tödliche Gewalt“, so Klara Butting. Eine friedenstheologische Gotteslehre stehe am Anfang, sie sei Ouvertüre und Orientierung für alles weitere Lesen, unterstreicht sie.
Mit dem Sabbat, dem Ruhetag der Schöpfung, komme Gott zur Ruhe in der Welt. Und damit ende auch die Bibel in der Offenbarung des Johannes und seiner Friedensvision: „Gott wohnt unter den Völkern, Leid und Schrei und Tod sind vorbei. Gott ist in der Welt zur Ruhe gekommen“, betont die Theologin. Zukunftsmusik würden einige dazu sagen. Doch trotz Gewalt auf Erden gehe der Sabbat nicht verloren, er bleibe ein Zeichen und Raum für die Weltwärts-Bewegung Gottes, macht sie deutlich. Auch in der von Gewalt geprägten Welt sei Gott mit schöpferischen Interventionen beschäftigt.
Friedensethisches Nachdenken sei der entscheidende Punkt, hebt Klara Butting hervor: „Der Friede Gottes ist nicht nur Quelle allen Lebens und Ziel aller Geschichte, sondern er ist Akteur in der Zeit.“ Und da mache es einen Unterschied, ob der Frieden Gottes als Fernziel oder als Akteur in der Gegenwart beschrieben werde. Wenn der Friede Gottes gegenwärtiger Akteur sei, dann gelte es, den Frieden Gottes auch als gegenwärtiges Geschehen aufzuspüren und dran teilzunehmen, erläuterte die Theologin.
Dazu brauche es Friedens- und Freiheitsräume, in denen Widerspruch möglich sei, machte Klara Butting weiter deutlich. So auch gegen das Narrativ der Zeitenwende, weil dieses die Abrüstung und eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur aufgegeben habe, so die Theologin. Jetzt heiße es, dass der Krieg die Zukunft sei. „Unser Sicherheitsdenken hat totalitäre Züge bekommen. Statt sicherheitspolitisches Nachdenken über sinnvolle Investitionen in eine defensive Ausstattung der Streitkräfte hören wir Alarmismus“, warnte sie. Dem komme die biblische Botschaft von der Weltwärtsbewegung von Gottes Frieden in die Quere. „Wir als Kirche können Zukunft nicht denken ohne das Kommen Gottes, dass die Zukunft verändern kann“, meinte Klara Butting überzeugt. Es gehe nicht darum, sich aus der Realität wegzuträumen, sondern auf Neues zu hoffen, dass passieren könne, wenn Menschen miteinander reden würden. Darauf gelte es, die eigene Kraft zu konzentrieren. Und das sei gemeint, wenn vom Frieden Gottes gesagt werde, dass er höher sei als alle Vernunft, so die Theologin: „Es geht nicht um Unvernunft, sondern um Wege, die es noch nicht gibt. Ungeahntes, noch nicht dagewesenes kann in die Wirklichkeit einbrechen. Vielleicht auch Frieden.“
Dass die Bibel, in der es auch um Gewalt gehe, die Logik der Gewalt auch in einer Gewaltsituation durchbreche, zeige die Geschichte von David und Goliath, gab Klara Butting zu bedenken. Als David den Kampf gegen Goliath wagen wolle, ziehe er die Rüstung aus und gehe ihm mit Steinen und Schleuder entgegen. „Der Weg der militärischen Aufrüstung wird in dieser Erzählung explizit als ungehbar abgelehnt. Damit sprengt die Erzählung bekannte Schema“, so die Theologin. Goliath werde ohne Schwert getötet, aber mit eigenem Schwert enthauptet. „Der militärisch aufgerüstete Feind geht letztendlich an seiner eigenen Aufrüstung zu Grunde“, erläutert sie.
„Die Geschichte ist nicht gewaltfrei, aber die Fixierung auf Gewalt wird aufgebrochen. Die Erzählung schafft einen Freiraum, wo militärische Übermacht im Kopf Aufrüstung als alternativlos erscheinen lässt“, gibt Klara Butting zu bedenken. Hier gebe es eine Unterbrechung der Gewalt in einer Welt, die nicht gewaltfrei sei. Und dies mache sie für die heutige Zeit aktuell.
„Was ist zu unserer Verteidigung eigentlich nötig? Müssen wir kriegstüchtig werden? Wozu dient diese martialische Sprache? Warum sprechen wir nicht von verteidigungsfähig? Wie können wir, auch wenn wir die Ukraine unterstützen, aus Siegesrhetorik und Kriegslogik aussteigen? Wer sich angesichts der gegenwärtigen Militarisierung unserer Sprache und Gesellschaft auf die Geschichte von David und Goliath einlässt, gerät in einen Denkraum, in dem die biblische Stimme, die Logik der Gewalt durchbricht zu Gehör kommt und uns herausfordert, über Abrüstung und die Wege dahin nachzudenken“, so Klara Butting.
Kontakt: Jan Gildemeister, Tel. 0228/24 999-13, H 0172/70855 37
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