PM: Thesenanschlag für eine gerechte und friedliche Welt

Dr. Vincenzo Petracca erinnert in einem Impuls zum Reformationsjubiläum an eine „Reformation“ im Schwarzenghetto von Chicago

An den Thesenanschlag von Martin Luther King im Sommer 1966 an die Rathaustür in Chicago erinnert der Heidelberger Pfarrer Dr. Vincenzo Petracca mit einem Impuls „Thesenanschlag im Ghetto“ zum Reformationsjubiläum. „Hatte Luther in seinen Thesen den geschäftsmäßigen Ablasshandel auf Kosten der Armen angeprangert, so prangerte King in Chicago die Geschäftemacherei mit Unterprivilegierten im Schwarzenghetto an“, betont der evangelische Theologe, der den Vorständen des ökumenischen Vereins „gewaltfrei handeln“ und der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) angehört.

Martin Luther King habe damals in seinen 48 Thesen bessere Wohnungen, Arbeit- und Ausbildungsplätze für Schwarze und Latinos, einen Mindestlohn und Schutz vor Polizeigewalt gefordert. „King wählte bewusst nur halb so viele Thesen wie Luther, aber dafür waren sie sehr konkret“, so Vincenzo Petracca. Und er macht deutlich: „Diese Forderungen sind auch 50 Jahre danach weitgehend noch nicht eingelöst. Polizeigewalt gegen Farbige erschüttert auch weiterhin die USA. Noch heute leben im Ghetto von Chicago rund 130.000 Einwohner unterhalb der Armutsgrenze.“

Der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King war 1966 demonstrativ in das Schwarzenghetto von Chicago gezogen. Sein Ziel war, die im Süden der USA bewährte gewaltfreie Aktion in die Slums der Großstädte des Nordens zu tragen. In dem Lied „In the Ghetto“ von Elvis Presley erzählt der „King of Rock“ den kurzen Lebensweg eines Kindes im Ghetto von Chicago.

„Martin Luther King griff auf das Protestmittel seines berühmten Namenspatrons zurück“, so Vincenzo Petracca. Der Bürgerrechtler habe den lutherischen Thesenanschlag auf die damalige Situation der rechtlichen und sozialen Rassentrennung in den USA aktualisiert. Was Kings „Reformation“ in Chicago betraf, so habe er sich mit sehr bescheidenen Ergebnissen begnügen müssen, trotz ein Jahr lang andauernder Massendemonstrationen und Streiks, meint der Heidelberger Pfarrer. „Elvis´ Song ist im Pophimmel, Martin Luther King zum amerikanischen Nationalheiligen verklärt worden, aber die Reise zu einer gerechten und friedlichen Welt ist keineswegs zu Ende“, betont er und fragt: „Welche 48 Thesen sollte man heute in einer sozial gespaltenen und militärisch hochgerüsteten Welt anschlagen?“

Der Impuls „Thesenanschlag im Ghetto“ ist der elfte Beitrag eines von der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) am Reformationstag 2016 gestarteten Projekts „Reformation heute – Gewalt absagen und Frieden wagen“, mit dem die AGDF einen Beitrag zum Reformationsjubiläum leisten, sich kritisch mit der reformatorischen Geschichte auseinandersetzen und dabei einen Fokus auf Gewalt und Gewaltfreiheit legen will. Die Impulse, die dazu veröffentlicht werden, sollen Denkanstöße für eine weitere Diskussion sein.

Der Beitrag „Thesenanschlag im Ghetto“ von Dr. Vincenzo Petracca findet sich auf der Homepage der AGDF. Dort stehen auch die weiteren bereits erschienenen Beiträge dieses Reformationsprojektes der AGDF.