Streit leben – Frieden gestalten

Ein Umdenken in der Gesellschaft erfordert auch langfristige und strukturelle Veränderungen und langfristiges Arbeiten. Dies war eine gemeinsame Quintessenz eines Gespräches im Cafe #Friedenswege während der Themenwoche Frieden am 17. Juli 2017 in Wittenberg.

Auf dem Podium berichteten Gaby Weber von ihrer Arbeit als Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes in Kolumbien und derzeit friedenspädagogische Leiterin im Café #Friedenswege,  Hagen Berndt, Berater des Forum Ziviler Friedensdienst e.V. (forum ZFD), von praktischen Erfahrungen in Kommunaler Konfliktberatung sowie Marcus Stückroth vom Friedenskreis Halle e.V. von der Weitergabe solcher Erfahrungen in der Friedensbildungsarbeit in Schule, Gemeindegruppen und Erwachsenenbildung unter der Moderation von Bernd Rieche (AGDF).

„Es lohnt sich von den Erfahrungen und methodischen Ansätzen im In- und Ausland voneinander zu lernen. Die spezifische Analyse muss immer wieder neu gemacht werden, denn die Methoden dafür verfolgen ähnliche Ziele und können sich daher gegenseitig befruchten“, erklärte Gaby Weber, die über den Friedensprozess in Kolumbien und die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der nachhaltigen Gestaltung dieses Friedens berichtete.

„EntscheidungsträgerInnen in Verwaltung und Politik fällt es häufig schwer, die Existenz von Konflikten öffentlich einzugestehen. Dabei sind nicht die Konflikte das Problem, sondern deren gewaltförmige Austragung. Konflikte sind Herausforderungen für die Entwicklung einer Kommune und vielleicht auch eine Chance für gesellschaftliche Integration“, schilderte Hagen Berndt aus seinen Erfahrungen. „Allerdings sei es notwendig - besonders im innergesellschaftlichen Bereich - die Bearbeitung von Konflikten auch als Aufgabe anzunehmen und dafür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen“, fügte der Berater hinzu, der aus erfolgreichen Konfliktbearbeitungsprozessen in Osterholz-Scharmbeck und Salzgitter berichtete.

Marcus Stückroth berichtete, dass ein nicht militärischer Umgang mit Konflikten oft gar nicht im Bewusstsein von Schülerinnen und Schülern sei, mit denen sein Projekt „Engagiert für Frieden und Entwicklung“ arbeitet. Hier setze Friedensbildung an, einerseits persönliche Kompetenzen im konstruktiven Umgang mit Konflikten zu vermitteln, andererseits auch gewaltfreie Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung im politischen und internationalen Kontext aufzuzeigen. Der Zivile Friedensdienst, der von deutschen Fachorganisationen in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in einer Reihe von Krisenregionen durchgeführt wird, bietet praktische Beispiele dafür.

Einig waren sich die ReferentInnen, dass Frieden zu schaffen immer ein Weg ist, der den gewaltfreien Umgang mit Konflikten einschließt. Daher erfülle sie die Entwicklung, dass bei gesellschaftlichen und politischen Krisen und Konflikten in Deutschland wie auch im internationalen Raum immer häufiger zuerst – und manchmal auch ausschließlich- nach sicherheitspolitischen Antworten gesucht werde, mit großer Sorge.

Die Relevanz dieser Gedanken wurde auch in den Nachfragen aus dem Publikum deutlich. TeilnehmerInnen aus der Lutherstadt Wittenberg berichteten z.B. davon, welche Spannungen sie in den Quartieren wahrnehmen, in denen die Stadt für Flüchtlinge aus Syrien Wohnungen angemietet hat. Sich Gehör zu verschaffen, um rechtzeitig diese Konfliktpotenziale zu bearbeiten, bevor sie zu Gewalt und offenen Konfrontationen führen, sei gar nicht so einfach. Soziale Träger und auch Kirchen sind hier gefordert, die vorhandenen Kompetenzen zu Konfliktbearbeitung an entsprechende Stellen in Politik und Verwaltung sowie bei der Polizei, die häufig große Offenheit dafür signalisiert, zu vermitteln.