Reformation heute - Gewalt absagen und Frieden wagen

Das Reformationsjahr 2017 wird von der evangelischen Kirche in Deutschland groß gefeiert. Die „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden“ (AGDF) möchte zu diesem Jubiläum einen Beitrag leisten und sich dabei kritisch mit der reformatorischen Geschichte auseinandersetzen, wobei der Fokus auf Gewalt und Gewaltfreiheit liegen soll. Wir wollen der Frage nachgehen, wie wir es schaffen können, im Blick auf das Reformationsgedenken eine Kirche des gerechten Friedens zu werden und die Gewaltfreiheit zu stärken.

Die AGDF wird in den kommenden Wochen bis hin zum 31. Oktober 2017, wenn sich der Thesenanschlag Martin Luthers zum 500. Mal jährt, in unregelmäßigen Abständen Impulse, Texte und Thesen veröffentlichen, die der Frage nachgehen, wie sich die protestantischen Kirchen mit ihrer eher gewalttätigen Tradition auseinandersetzen und wie Gewaltfreiheit gestärkt werden kann.

Thomas Nauerth: Verdammt noch mal – Anmerkungen zum Augsburger Bekenntnis/Confessio Augustana

„Der Dialog der letzten Zeit, die durch ihn erreichten theologischen Verständigungen (...) führen uns (...) zum Augsburgischen Bekenntnis zurück. Denn dieses Bekenntnis, das Basis und Bezugspunkt der  anderen lutherischen Bekenntnisschriften ist, spiegelt wie kein anderes in Inhalt und Struktur den ökumenischen Willen und die katholische Intention der Reformation.“ 1

Horst Scheffler: Reformation im Wandel der Zeiten

Reformation als Zeitenwende
Martin Luthers Kirchenkritik eröffnete nicht nur eine religiös-kirchliche Revolution, eben die Reformation. Er erschütterte das ganze Gefüge politischer Macht in Europa. Luther kritisierte den Papst wegen der Buß- und Ablasspraxis der katholischen Kirche. Mit dieser religiös und kirchlich begründeten Kritik schwächte er aber auch die damalige politische Macht des Papstes. Was Luther selbst weder wusste noch wollte, seine Papstkritik leitete das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ein.

Siegfried Eckert: Verleih uns Frieden gnädiglich

Ich bin ein Lutherfan. Ich finde diesen Kerl teuflisch gut, trotz seiner Schattenseiten. Was kann ein Mensch für seine zwiespältige Wirkungsgeschichte? Im Jubiläumsjahr seiner Reformation geistern viele Missverständnisse herum, die Luther nicht gerecht werden. Plumpes Bashing wie naive Heldenverehrung helfen nicht weiter. Diese Anmerkung mag genügen, um den Weg für Luthers prägnantestes Kirchenlied frei zu machen.

Ullrich Hahn: Die andere Reformation: Erasmus von Rotterdam

Wer dieser Tage durch Buchhandlungen schlendert, findet viel Luther, aber keinen Erasmus. Der ältere Zeitgenosse Luthers ist vergessen – von den Protestanten, weil er katholisch blieb, von den Katholiken, weil er reformatorische Anliegen in der noch ungeteilten Kirche vertrat, die aber dann nach dem Auftreten Luthers als kirchenspaltend galten und nicht mehr diskutabel waren.

Joel Driedger: Die Schönheit des Gesetzes

„Häh?!“, wird sich jetzt der ein oder andere LeserIn denken, „es soll bei dieser Text-Reihe doch um die Reformation gehen. Was um alles in der Welt hatte die Reformation mit dem Gesetz zu tun? Es ging doch um  die Gnade!“ Ja genau, die Gnade. Allein um die Gnade ging es der Reformation: Sola Gratia. Die Menschen müssen nichts leisten. Sie sind in Gottes Augen gerecht, d.h. vollkommen, ohne sich die Vollkommenheit selbst erarbeitet zu haben. Das Angenommen-Sein ist ein Geschenk Gottes überreicht in Tod und Auferstehung Jesu Christ.

Wiltrud Rösch-Metzler: Gemeinsam auf dem Weg zum gerechten Frieden

Das Reformationsjubiläum hat vielerorts dazu geführt, das Gemeinsame der christlichen Kirchen wieder in den Blick zu nehmen. Dazu gehört „Gerechter Frieden“ als friedensethischer Leitbegriff  der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (2000) und des Rates der EKD (2007). Für die internationale katholische Friedensbewegung pax christi sind aber auch die Dokumente des Weltkirchenrates inspirierend und wichtig.

Holger Teubert: Evangelische Freikirchen als Friedensstifter

Die Mennoniten entstanden im 16. Jahrhundert und werden als „linker Flügel“ der Reformation bezeichnet. Aber auch die anderen 14 Glaubensgemeinschaften der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) betrachten sich als Teil und Miterben der Reformation, obwohl sie erst in nachreformatorischer Zeit aufkamen. Die evangelischen Freikirchen verstehen sich als Erneuerungsbewegungen, die sowohl von den Vorreformatoren, etwa Petrus Valdes und Jan Hus, wie auch von Martin Luther, Huldrych Zwingli, Johannes Calvin und anderen Reformatoren in Europa geprägt sind.

Vincenzo Petracca: Thesenanschlag im Ghetto

„In the Ghetto“ von Elvis Presley ist eines der bekanntesten Lieder des „King of Rock“. Der Song erzählt den kurzen Lebensweg eines Kindes, das an einem kalten, grauen Morgen im Ghetto von Chicago zur Welt kommt. Zwangsläufig gerät es auf die schiefe Bahn. Das junge Leben findet ein gewaltsames Ende, an einem genauso kalten, grauen Morgen wie der Morgen der Geburt. Kunstvoll beginnt das Lied mit einer weinenden Mutter, die ein weiteres Kind nicht ernähren kann, und am Ende des Liedes beginnt der Kreislauf von neuem: Erneut wird ein Kind im Ghetto geboren und eine Mutter weint.

Antje Heider-Rottwilm: Von Furchtlosigkeit zu Gewaltfreiheit

Es gibt einen Gedankengang, der eng mit der Reformation verbunden ist. Das ist das Thema „Fürchte Dich nicht! Oder: Fürchtet euch nicht!“ Dieser Zuspruch kommt in der Bibel sehr häufig, man sagt 95-mal vor. Wir finden ihn im am Beginn der Bibel genauso wie im letzten Buch der Heiligen Schrift, der Offenbarung. Das weist darauf hin, dass die Menschen in allen Generationen voller Furcht waren - und Gott erlebten als den, der sie ermutigte, sich ihrer Furcht zu stellen - und sie auszusprechen. Und sie erlebten Gott als den oder die, die half, die Furcht zu überwinden.

Christine Busch: Das Recht, nach der Wahrheit zu suchen

1524 begannen im süddeutschen Raum Aufstände gegen die Ausbeutung der Bauern, angeführt von Männern, die sich auf Martin Luther und seine Theologie beriefen. „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“: diese Erkenntnis der Freiheit des Glaubens weckte in den Bauern vor allem den Wunsch nach Gerechtigkeit und persönlicher Freiheit. Sie forderten ein konkretes Reformprogramm, wie es z.B.