Positionspapier "Ein Aufruf zur Stärkung der weltweiten personellen Zusammenarbeit"

Das Positionspapiers wurde auf der a.o. Mitgliederversammlung von allen Mitgliedern - auch der AGDF - beschlossen.

Ein Aufruf zur Stärkung der weltweiten Personellen Zusammenarbeit
„[…] in den letzten 50 Jahren hat sich in der Entwicklungszusammenarbeit vieles verändert, aber nicht alles. Denn zu jeder Zeit brauchte und braucht es Menschen mit Herz und Verstand, die sich freiwillig und mutig auf den Weg machen, um in aller Welt Entwicklungs- oder Friedensdienst zu leisten. Es braucht Menschen, die um die Bedingungen vor Ort wissen – die wissen, was gebraucht und was angenommen wird, welche Unterstützung tatsächlich Entwicklung fördert.“
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrem Grußwort zum 50. Jubiläum des Entwicklungshelfer-Gesetzes am 12. Juli 2019 in Berlin.

Internationale Entwicklungs-, Fach- und Freiwilligendienste werden – wie Bundeskanzlerin Angela Merkel zutreffend betont – von mutigen Menschen mit Herz und Verstand geleistet. Sie ermöglichen gemeinsame Entwicklung und begegnen damit entschlossen und intelligent den gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit. 2020 suchen, fordern und gestalten immer mehr – gerade junge – Menschen einen Dialog über eine neue Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gerecht und friedlich gestalten können. Die globalen Herausforderungen erfordern neue menschen- und umweltfreundliche Lösungsansätze – und zwar in Theorie und Praxis. Das sogenannte „westliche Entwicklungsmodell“ mit seinen bisherigen Methoden ist an seine Grenzen gelangt. Die UNO erklärte bereits 2015 in der „Agenda 2030“ auch die wohlhabenden Länder zu „Entwicklungsländern“, die sich „anders entwickeln“ müssen, um das Leben dieser „Einen Welt“ zu bewahren. Wie aber gestalten wir – auch in der aktuellen Pandemie und über sie hinaus – gemeinsam Inhalte und Wege hin zu einer zukunftsfähigen Weltgesellschaft?

Begegnung statt Isolation. Dialog statt Abgrenzung. Brücken statt Mauern.

Neben der unvermindert wichtigen internationalen finanziellen und technischen Entwicklungszusammenarbeit ist auch die personelle Zusammenarbeit unverzichtbar, um globale Veränderungsprozesse lokal zu verankern und partizipativ zu gestalten. Nur durch den Dialog und die konkrete Begegnung von Menschen, die sich verbindlich aufeinander einlassen, können umsetzbare Antworten auf die zentralen Fragen unserer Zeit entwickelt werden. Erst die vertrauensvolle Beziehung über Länder- und Kulturgrenzen hinweg ermöglicht gegenseitiges Verstehen. Wo Menschen in ihrem (Arbeits-)Alltag einander begegnen, zusammenarbeiten und gemeinsam Zukunft gestalten, können das Gefühl der Zusammengehörigkeit, gesellschaftliche Akzeptanz und nachhaltige Wirkkraft entstehen.

Die Mitglieder des AKLHÜ ermöglichen kurz- und langfristige Einsätze, die auf Freiwilligkeit, Dienstbereitschaft, Fachlichkeit und solidarischem Engagement beruhen. Sie entsprechen damit der großen Nachfrage im globalen Süden und – wo heute schon Süd-Nord-Austausch möglich ist – dem verstärkten Interesse in Deutschland.

Weltweite personelle Zusammenarbeit ist deshalb unerlässlich für die Bewältigung der globalen Herausforderungen. Der Fach- und Freiwilligendienst in all seinen Formen ist ein Erfolgsmodell der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Die umfassenden Evaluationen des Evaluierungsinstituts DEval zum Einsatz von Entwicklungshelfer*innen und weltwärts-Freiwilligen bestätigen, dass diese Entsendungen ebenso erfolgreiche wie zentrale entwicklungspolitische Personalinstrumente sind. Freiwillige, Entwicklungshelfer*innen und Fachkräfte leisten durch ihr Engagement und ihre Kompetenz nachweislich einen echten Beitrag zur Veränderung und bewirken als Katalysatoren sozialen Wandel im In- und Ausland – sowohl während ihres Einsatzes als auch als Multiplikator*innen nach ihrer Rückkehr.

Der AKLHÜ und die in ihm zusammengeschlossenen 60 Träger von Freiwilligen- und Fachdiensten nutzen ihre jahrzehntelange Erfahrung für gelebtes solidarisches Miteinander zwischen Ländern des globalen Südens und des Nordens. Mit ihren Partner*innen gestalten sie Lernorte, an denen der gegenseitige Erfahrungs- und Wissensaustausch im Vordergrund steht. Über die individuelle und institutionelle Begegnung hinaus werden Netzwerke von Menschen, Organisationen und Strukturen geschaffen, die auf ihre je eigene Art an der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele arbeiten. Internationale personelle Zusammenarbeit ist in Zeiten zunehmender globaler Verflechtungen – in Wirtschaft, in Politik und nicht zuletzt in Ökologie – von außerordentlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland, die Europäische Union und die Welt. Deshalb muss die internationale personelle Zusammenarbeit nicht nur erhalten, sondern gerade in dieser Zeit gestärkt werden.

Der AKLHÜ fordert zusammen mit seinen 60 Mitgliedern deshalb:
1. Weltweite personelle Zusammenarbeit wird gestärkt und lädt alle – sowohl Fachkräfte als auch Freiwillige aus der Mitte unserer Gesellschaft – dazu ein, sich als „Weltbürger*innen“ am Aufbau von Vertrauenspotential und an der Gestaltung einer besseren Welt verantwortlich zu beteiligen. Entwicklungs-, Fach- und Freiwilligendienste sind auch in Zukunft unverzichtbar und brauchen langfristig stabile Rahmenbedingungen. Dazu gehört eine frühzeitige Planungsgrundlage über den Jahreswechsel 2021/2022 hinaus.
2. Zehntausende Freiwillige und Fachkräfte sind bereit, sich ihren Einsatz viel kosten zu lassen und auch Risiken zu tragen. Politik und Verwaltung  unterstützen bei der Beantragung und Erteilung von Visa für Fachkräfte und Freiwillige im internationalen Kontext. Dies gilt auch für das „Incoming“  ausländischer Freiwilliger für ihren wertvollen Dienst in Deutschland.
3. In der Covid-19-Krise zeigt Digitaltechnik beeindruckend, welche Kommunikation durch sie ermöglicht wird – jedoch auch, dass die reale und unmittelbare  Begegnung von Mensch zu Mensch voller Empathie und Emotion, insbesondere in Lernkontexten, nicht ersetzt werden kann. Mit großer Dankbarkeit wird die unbürokratische Flexibilität der zuständigen Ministerien gegenüber den Entsende-Organisationen in der Corona-Krise aufgenommen. Politik und Verwaltung schützen und erhalten auch weiterhin die wertvollen gewachsenen Strukturen durch die Krise hindurch.

Vorstand und Mitglieder des AKLHÜ e.V., Bonn im November 2020
 

Anhang: